Heute hatte meine Tochter Ihren 1. Schultag.
Ich bin noch taub vom Blockflötencrescendo der 2. Klässler, meine Milz schreit nach Pils wegen der anschliessenden Keks- und Kuchenorgie im Kreise der Familie, aber schön war es doch.
Was mir nicht ganz einleuchten will, ist, warum die gesamte und ich meine wirklich gesamte Mischpoke dieses Ereignis miterleben muss.
Als ich vor gefühlten 500 Jahren eingeschult wurde, war meine Mutter dabei und schleifte meine Grossmutter mit, weil ja irgend jemand ein Mutter-Sohn Photo machen musste. Mein Erzeuger erzeugte den Mammon der zum Überleben nötig war und mein Bruder war in der Höheren Schule und hatte keine Zeit; den Rest meiner Sippe interessierte es einen feuchten Kericht, natürlich nur bis zum Ende der offiziellen Feier, zum abfressen des heimatlichen Buffets, wegschädeln des Sektes und runterschlingen der Marzipantorte waren sie selbstredend alle da.
Und heute? Da kommt jeder ABC-Schütze eskortiert von sämtlichen Cousins, Cousinen, Tanten, Onkeln, Omas, Opas, Vätern, dem ausserehelich in Thailand gezeugten und für diesen Anlass eingeflogenen Halbgeschwister sowie jedem aber auch jedem zufällig mal in oder an der Sandkiste begegneten Semibekannten in die Schule. Alle diese "Ich-will-sie-nicht-kennen" haben ihre eigene Kamera mit um MEIN Kind zu fotographieren und später die Abzüge nicht rauszurücken - verdammtes Pack.
Aber hier gehts ja um "Jesus rockt". Nach der 1. Schulstunde Ihres Lebens müssen die kleinen Bälger noch in die Kirche, es sei denn, Ihre Eltern untersagen das. Und hier kam die echt groovigste Jesus-Show, die ich bisher erleben durfte.
Es ist eine eher moderne Kirche ohne Kanzel und irgendwelchen Schnickschnack, Orgel? Niemals, der Herr Kapellmeister Tippl (echt!) sitzt in buntem Hemdchen an einer Mischung aus Bontempi- und Hammondorgel und dröhnt einem die Ergebnisse seiner Spielkunst 4-fach verstärkt in die Ohrmuschel. Die Kinder stehen etwas erhöht vor dem Altar, eine leicht angerockte Version von "Danke für diesen guten Morgen...." hämmert sich durch mein Blockflöten gepeinigtes Hirn - da kommt sie von links hereingeschwirrt: Die Pastorin.
Wie weiland James Brown, the godfather of Soul, in Blues Brothers steppt, tanzt, dreht sie sich von einer Ecke der Altarzone zur Anderen, reckt die Arme, klatscht in die Hände und singt mit einer eher Feldbusch-Pooht-igen Stimme eben jenes Lied. Sie lacht, sie klatscht auch mal gegen den Takt, sie hüpft auf der Stelle, beugt sich dann plötzlich mit aufgerissenen Augen weit in die 1. Bankreihe hinein, zeigt auf einen armen Sünder, zwinkert ihm zu und ist ebenso schnell wieder lachend, gröhlend, segnend am anderen Ende des Raumes.
Gott, lass mich Katholik werden! war der erste brauchbare Gedanke den ich nach dieser protestanischen Eröffnung fassen konnte, der 2. befasste sich mit den von ihr konsumierten Drogen und wieviel Geld ich damit machen könnte wenn ich sie hätte.
Damit nicht genug, nahm sie irgendwann die auf dem oberen Photo links zu sehende Gelbhaarhandpuppe, steckte die pastorale Pranke in den Hinterkopf, setzte sich einen Filzhut auf und sagte: "Ich bin der Jakob und komme aus dem fernen Land Israel und nun ratet ihr, liebe Kinder, was ich am Liebsten mache."
"Beten" wollte Sie wohl hören, aber eisiges Schweigen war ihr gewiss, irgendwo hinter mir hörte ich jemanden ein lockeres "Libanesen bombardieren" flüstern, aber das war es auch schon. Schade, denn ich hatte mich auf eine fundierte, sachliche Diskussion gefreut, wer denn nun wen bombardiere.
So aber war denn auch bald Schluss, die Pastorin begann nochmals meine Ohren zu beleidigen, legte noch ein paar Oktaven zu, steigerte sich dann zu einem die Soutane zerfetzenden Finale und nötigte uns Erwachsenen ein gemurmeltes "Vater unser" ab. Danach den obligaten Segen abgeschnuppt und raus aus der Bude.
Aber für die Kinder war es wirklich klasse.